Anita Berchtold Sonderegger
Mira Berchtold
Es waren einmal…
die Märchen, die meine Mutter mir erzählte und die wilden Geschichten, die mein Vater erfand, als ich noch klein war. Sie fühlten sich wohl bei mir und beschlossen, zu bleiben.
In der Schule kam die Liebe zur Sprache und zum Theater dazu, was den Märchen sehr entgegenkam. Den Samen pflanzte ein Lehrer, der es verstand, den Zauber weiterzugeben.
Nach der Schulzeit mussten sich die Märchen etwas in Geduld üben. Ich liebte weiterhin gute Geschichten, las viel und ging auch ab und zu ins Theater. Aber anderes war wichtiger. Ich zog in die weite Welt.
Dann aber wurde unerwartet ein Märchen wahr. Ich bezwang einen Drachen, bekam den Prinzen, wurde Königin und gebar eine Prinzessin. Sobald Mira ins richtige Alter kam, nahmen die Märchen wieder die Zügel in die Hand. Darüber freute ich mich so, dass ich sie unbedingt mit mehr als nur meinem eigenen Kind teilen wollte. Die erste Märchenrunde entstand mit den Kindern unseres Siedlungs-Königreichs unter dem Namen "Märlitrucke". Und unser kleiner Engel hielt schützend seine Hand darüber.
Die Kindergärtnerin meiner Tochter aber war eine Zauberin und erkannte die Schauspielerin in der Prinzessin. Zu ihrem achten Geburtstag im Frühling 2010 wünschte sich Mira also anstelle einer goldenen Kugel eine Theaterproduktion mit ihren Freundinnen und Freunden. Ein Wendepunkt für uns beide. Ein erstes Ferienkursangebot folgte noch im selben Jahr. Inzwischen hatte ich einen kleinen Prinzen geboren, der von Anfang an mit dabei war und später für einige Jahre auch selber auf der Bühne stand.
Bald war die ganze Familie involviert. Mira spielte bis 2016 in allen Theaterstücken mit. Danach unterstützte sie mich als Assistentin und übernahm mehr und mehr Verantwortung. Wenn ich also ab und zu mein Märlitrucke-Zepter suchte, war es ziemlich sicher bei ihr. Und so hat sich unser Märchentheater-Königreich, wie es sich gehört, zu einer Demokratie entwickelt. Mira und ich sind Partnerinnen und leiten unsere jeweiligen Ministerien. Mein Sohn sitzt im Publikum und unterstützt uns lieber im Hintergrund. Genauso wie mein Mann, der Musiksammlungen, Werkzeugkisten und Kameras betreut. Und immer wacht ein guter Geist über uns.
Hinzugekommen ist meine Arbeit als Spielgruppenleiterin, die mir nicht nur während zwei Ferienwochen Freude und Erfüllung beschert, sondern während des ganzen Jahres. Eine grosse Aufgabe und ein absoluter Glücksfall.
Bei unserer Arbeit - sei es im Theater oder in der Spielgruppe - begegnen wir immer wieder wunderbaren Menschen, die uns mit Rat, Tat, Näh- oder Bohrmaschine, Ideen, Computer- und anderem Know-How zur Seite stehen (und manchmal auch mit ein wenig Magie, wie uns scheint). Ohne sie wäre die Märlitrucke nicht was sie ist!
Kindsein
ist Arbeit. Das sollten wir nie vergessen.
Sowohl die Bühne als auch die Spielgruppe kann ein magischer Raum sein. Und so geschehen dort immer wieder die wunderbarsten Dinge. Die Kinder müssen intensiv zusammenarbeiten, über den eigenen
Schatten springen, Neues ausprobieren, etwas aushalten, sich einsetzen, mutig, sanft, tapfer, fair sein, Verantwortung übernehmen, sich selber zugunsten eines grossen Ganzen zurücknehmen oder
sich innerhalb der Gruppe behaupten. Diese Entwicklungen zu beobachten und die grossen und kleinen Wunder miterleben zu dürfen, ist grossartig.
Und jedes
Kind ist ein König oder eine Königin, ein Held und eine Heldin.
Anita & Mira